Impuls zum 11. Mai 2025
Von Reinhard J. Voß (in den Nuller-Jahren Generalsekretär von pax christi Deutschland)
Zuversichtlich bleiben in schweren Zeiten. Lebensfroh im Vertrauen auf den Guten Hirten
Über unserem Esstisch hing in der Phase des Aufwachsens unserer vier Kinder, gemalt auf selbst gefertigtem Papier, folgender Spruch: „Das Leben feiern“. Wir fügten später oft hinzu: „inmitten aller Bedrohungen“!
Erste Lesung: Apg. 13.14 und 43-52
Aus diesem Bericht über die Verbreitung des Evangeliums durch Paulus und Barnabas in Kleinasien sei deren Rat an die Neugetauften herausgehoben, sie wurden mit der Botschaft losgeschickt, „der Gnade Gottes treu zu bleiben“ (Apg. 13,43) und weiterzugehen „voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist“ (Apg. 13,52).
Dies sind aufmunternde Worte der Jünger Jesu. Paulus und sein Gefährte gaben sie als Lehre und Erkenntnis weiter, nachdem sie die öffentliche Ablehnung in schwerer Zeit erlebt und erlitten hatten. Die JüngerInnen Jesu hatten sich nach dessen Kreuzestod in Verzweiflung und Trauer versteckt und sich erst nach ihren Oster-Erlebnissen wieder aufgerafft, den lebendigen Christus Jesus zu verkünden. So konnten sie zum Neuaufbruch aufrufen und die Kraft der Gnade Gottes im Heiligen Geist verkünden. Sie hatten durch die Aufforderung Jesu zur Glaubensverbkündigung ihren Weg gefunden. Die ersten Christen wurden „die vom Wege“ genannt!
So sollten auch wir uns neu fühlen als diejenigen, die „unterwegs“ sind zum Reich Gottes, hindurch durch Leid und Tod, die uns umgeben, aber nicht erdrücken.
In unserer Ökumenischen Gemeinschaft in Wethen (einem Dorf zwischen Kassel und Paderborn) haben wir das einmal so ausgedrückt: „Wir suchen einen „Sozialen Rahmen für Genüge und Gemeinschaft“, in dem Friede wachsen und persönliche wie soziale und demokratisch-politische Entfaltung erlebt und entwickelt werden kann. Dieser Rahmen fügt sich auch ein ins lokale Gemeinwesen. Dabei gilt es auch, das streitbare, fröhliche und bereichernde Miteinander zum Ausdruck zu bringen, also gemeinsam unterwegs zu sein, zu feiern und zu trauern, auch „Gebrochenheiten“ und Unterschiedlichkeiten auszuhalten. Wir möchten damit untereinander die Gemeinschaft fördern; dazu gehören als Anspruch, aber oft genug auch als belastende UND beglückende Wirklichkeit: Verantwortung, Engagement und Verbindlichkeit; Offenheit, Vertrauen und Toleranz; Streitkultur, Versöhnung und ggs. Hilfestellung.“
Zitat aus: R. Voß, lebensfroh, 2024, S. 81f. – verfasst 2010, kurz vor meinem temporären Abschied aus Wethen für vier Jahre nach Afrika, zu „Visionen für unsere Ökumenische Gemeinschaft“.
Zweite Lesung: Offenbarung des Johannes 7,9 und 14b-17
In dieser Schrift des Johannes, die er rückblickend auf der Insel Patmos unter dem Eindruck seiner späten Visionen verfasste, blickt er in die ferne Zukunft, die alle Jünger:innen Jesu Christi erwartet. Er sieht alle Nationen vor den Thron Gottes treten, auf dem (gleichrangig) Christus sitzt, der wie ein Lamm geschlachtet wurde, aber von Gott aufgehoben, mehr noch: emporgehoben worden ist! Und er sieht die vielen dorthin gelangen, „die aus der großen Bedrängnis kommen: sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“.
Diese Vision von der Rettung aus dem tiefen und bedrängenden Tal der Tränen und Leiden, die durch die Reinigung hindurch in Festkleidern und Freude herbeikommen, sie trifft mich in einer Woche, in der ein eigener Leidensweg der Monate März/April 2025 zu Ende ging – nach einer körperlich harten Zeit während der Fastenwochen und besonders auch der Karwoche, während der ich in Paris erkrankte: ein Virus traf mich schon geschwächt durch ein spät erkanntes Nierenleiden. Aber ich wurde (zusammen mit meiner Frau Margret in Zügen) wunderbar zurück nach Hause geführt und konnte noch rechtzeitig am Osterdienstag operiert werden. Am Karfreitag träumte ich wild und hielt einiges davon im Tagebuch fest.
Pariser Karfreitagstraum 2025
Nach einer zweitägigen schlimmen Gastritis hatte ich einen starken fast existentiellen Traum. Ein Traum fast wie ein Trauma! Er war verwoben mit Todesgefahren, also theologisch und existenziell für mich bedeutsam und sogar mit mir selbst (teils) in der Erzähler-Rolle und (teils) in der „Opferrolle“.
Eine an Faust (Pakt zwischen Teufel und Gott) erinnernde Wette: recht vollmundig meine ich im Traum: Ich kann Kreuz und auch Tod aushalten! Ich soll dann also das Kreuz tragen und anschließend enthauptet werden!
Der Traumverlauf: Ich bin beim Kreuzweg dabei, wie ich ihn – wie immer jährlich nachgespielt – schon einmal in der Jerusalemer Altstadt erlebt habe. Doch plötzlich spielen meine vier Kinder unter 12 Jahren mit und spornen mich an im sogenannten Spiel. Im Verlauf desselben kommt es zum Straßen-Streit mit Zuschauern aus dem nahen Hochhaus. Der Streit entspannt sich um den eigenen freiwilligen Tod, den ich auf mich nehmen sollte/wollte(?). Ich erlebe die verwirrten Kinder und eine neue Abmachung mit dem Henker hinter mir: ich soll nun das letzte Wort haben!?!
Da lehne ich dann doch den Tod kurz vor Ankunft und beim Sekundenzählen des Henkers ab - und erwache im Traum wieder in die vorletzte Ebene.
Ich spüre eine gewisse Erleichterung, auch Scham und vor allem die Einsicht: dieses Opfer kann ich doch nicht bringen!! Wer war ich im Traum? War ich Simon von Cyrene? Wirkten die Besuche der letzten Woche in Rouen an der Seine in Frankreich nach? Spielte das Martyrium von Jeanne d‘Arc und das des dortigen am Altar vor erst 20 Jahren ermordeten Priesters von Rouen mit hinein?
Die im Traum auftauchenden Fragen sind Fragen an mein Leben mit bald 76! Zum Jubiläumsjahr schrieb ich ein Büchlein mit dem Titel „lebensfroh“. Ich merke jetzt noch mehr als beim Schreiben, dass ich es auch als Appell für mich und nicht nur als Aufmunterung und Ermutigung für andere geschrieben habe. Und da kommt mir das heutige Evangelium vom Guten Hirten freundlichst entgegen:
Evangelium – Frohe Botschaft: Joh. 10, 27-30.
Jesus sagt in den Worten des Johannes, seines „Lieblingsjüngers“: Ich bin der gute Hirte für die Schafe meines Vaters, „der sie mir gab“ zum Behüten und Beschützen. Und ich gehe jedem nach, falls es sich verirrt. Ich trage es auf meine Schultern zurück in die Geborgenheit! Dieses Grundvertrauen verdanke ich Gott, der mich mehrfach im Leben vor dem fast sicheren Tode rettete, der mich erhält, stärkt, ermutigt, immer wieder auf-richtet und nicht aburteilt!
Fürbitten (nach einem Taizé-Friedensgebet)
Gott, Quelle des Lebens, ewiger Strom der Liebe, wir bitten dich:
- Öffne mit deiner Liebe die Herzen der Menschen und in deinem Licht löse auf alle Gefühle von Angst, Hass und Ohnmacht.
- Leite mit deiner Wahrheit all jene, die verantwortlich sind für Krieg und Gewalt, Hass und Intoleranz.
- Gib ihnen Kraft zum Umdenken und Mut zur Umkehr.
- Segne du sie mit deiner heilenden Gegenwart und verhilf ihnen zu innerem Frieden, damit sie friedvoll handeln können.
- Schenke uns allen die Einsicht, dass Frieden in uns wachsen und von uns ausstrahlen kann. Amen.
Friedensruf von Christinnen und Christen in Hannover am 1.5.2025
1. Du sollst nicht töten! (2. Mose 20,13)
2. Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen! (Matthäus 5,44)
3. Denn uns ist ein Kind geboren, ein … Friedefürst. (Jesaja 9,5)
Für uns hat sich die Zeitenwende in Jesus Christus ereignet. Wir setzen nicht auf die Gewalt der Waffen, sondern auf Diplomatie und gewaltfreien Widerstand.
4. Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch. (Matthäus 20,25f)
5. Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen. (Matthäus 26,52)
6. Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird Ruhe und Sicherheit sein auf ewig. (Jesaja 32,17)
7. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Speere zu Sicheln … und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. (Micha 4,3)
Abschlusslied
[GL 424] von Johann Georg Neumark 1641/1657 (also entstanden im und nach dem 30jährigen Krieg; vertont von J.S. Bach um 1736/37)
Wer nur den lieben Gott lässt walten, / und hoffet auf ihn allezeit, / den wird er wunderbar erhalten / in aller Not und Traurigkeit. / Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.
Was helfen uns die schweren Sorgen, / was hilft uns unser Weh und Ach? / Was hilft es, dass wir alle Morgen / beseufzen unser Ungemach? / Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit.
Man halte nur ein wenig stille / und sei doch in sich selbst vergnügt, / wie unsers Gottes Gnadenwille, / wie sein´ Allwissenheit es fügt; / Gott, der uns sich hat auserwählt, / der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
Es sind ja Gott sehr leichte Sachen / und ist dem Höchsten alles gleich: / den Reichen klein und arm zu machen, / den Armen aber groß und reich. / Gott ist der rechte Wundermann, / der bald erhöh´n, bald stürzen kann.
Sing, bet´ und geh auf Gottes Wegen, / verricht´ das Deine nur getreu /und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.
ANHANG (zur Information)
Friedensfähig werden! Friedensruf von Christinnen und Christen auf der Friedenssynode Hannover, 1. Mai 2025
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ lautet die Lehre daraus. Jetzt ist erneut von „Kriegstüchtigkeit“ die Rede. Jesus Christus aber sagt: „Selig sind, die Frieden stiften“. Die aktuellen Kriege sind für uns eine Mahnung zur Umkehr. Gottes Wort ruft uns, friedensfähig zu werden.
1. Du sollst nicht töten! (2. Mose 20,13)
Das Tötungsverbot gilt auch angesichts von Krieg und Gewalt. In jedem getöteten Menschen stirbt ein Ebenbild Gottes. Wir können keine Waffen auf andere Menschen richten, weil wir „damit die Waffen auf Christus selbst richteten“ (Dietrich Bonhoeffer).
2. Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen! (Matthäus 5,44)
Es wird gesagt, Aggressoren müssten auf dem Schlachtfeld besiegt oder militärisch zu Verhandlungen gezwungen werden. Jesus Christus mutet uns jedoch zu, unsere Feinde zu lieben. Das bedeutet nicht, Unrecht und Aggression hinzunehmen. Doch es verlangt, sich von vereinfachendem Gut-Böse-Denken zu lösen und die eigene Mitverantwortung für die Entwicklung von Konflikten zu erkennen.
3. Denn uns ist ein Kind geboren, ein … Friedefürst. (Jesaja 9,5)
Es wird gesagt, wir erlebten eine Zeitenwende, die eine Politik der militärischen Stärke erfordere. Für uns hat sich die Zeitenwende in Jesus Christus ereignet. Wir setzen nicht auf die Gewalt der Waffen, sondern auf Diplomatie und gewaltfreien Widerstand.
4. Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch. (Matthäus 20,25f)
Es wird gesagt, Menschen zum Kriegsdienst zu zwingen sei legitim, um Freiheit und Menschenrechte zu verteidigen. Unsere Solidarität aber gilt allen, die den Kriegsdienst verweigern oder sich ihm entziehen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht.
5. Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen. (Matthäus 26,52)
Es wird gesagt, Gewaltverzicht sei naiv, unrealistisch und unvernünftig. Jesus aber lehrt uns die Vernunft eines Gewaltverzichts, der die Spirale der Eskalation durchbricht. Krieg produziert ungezählte Tote, Verletzte, Vertriebene und Traumatisierte. Er bedroht das Leben auf unserer Erde, bis hin zur atomaren Vernichtung. Darum treten wir ein für die Rückkehr zur Abrüstung und den Verzicht auf Rüstungsexporte.
6. Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird Ruhe und Sicherheit sein auf ewig. (Jesaja 32,17)
Es wird gesagt, die Wirtschaft müsse wachsen. Dies führt ökologisch und sozial in eine Sackgasse. Der Wettstreit um Ressourcen führt heute schon zu Kriegen. Die Folgen sind verheerend, vor allem für den globalen Süden. Jesus Christus jedoch hat das Teilen und die Rücksichtnahme gelehrt. Voraussetzung für den Frieden ist eine Wirtschaft, die das Gemeinwohl sowie den Umwelt- und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt.
7. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Speere zu Sicheln … und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. (Micha 4,3)
Es wird gesagt, wir müssten kriegstüchtig werden und Frieden durch Aufrüstung sichern. Wir aber wollen friedensfähig werden. Geld, Zeit, Kreativität und andere Ressourcen müssen in die soziale, kulturelle und ökologische Transformation investiert werden statt in Waffen und Krieg. Wer Frieden will, muss Frieden üben. Wir beten und arbeiten für eine Kirche, die den Frieden Jesu Christi bezeugt und ausbreitet. Wir treten ein für eine Welt ohne Gewalt. Wir ermutigen uns gegenseitig zu einer Praxis des Friedens – im Vertrauen auf Gottes Frieden.
Der Friedensruf ist eine Einladung zur Umkehr. Er erinnert daran, dass der Glaube an Jesus Christus eine konsequente Absage an Gewalt bedeutet – und ruft uns dazu auf, den Frieden nicht nur zu fordern, sondern ihn im Alltag, in Kirche und Gesellschaft zu leben.
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